Wiesbadener Kurier vom 06.02.2023
Den eigenen Sportplatz zur Festung machen: Wie das auch im Amateurbereich noch besser gelingen kann, erklären eine Sportsoziologin und ein Sportpsychologe
Von Tim Bellina
REGION . Jede Mannschaft träumt davon, zu Hause unbezwingbar zu sein. Wie kann man sich Vorteile schaffen, wenn man zu Hause spielt? Christiana Schallhorn, Expertin im Bereich Sportsoziologie an der Universität Mainz, und Constantin Kuhlmann, ein Sportpsychologe im Profi-Bereich, haben ein paar Vorschläge.
Zum Beispiel hinsichtlich des Publikums: Meistens sind die Zuschauer im Amateurfußball Unterstützer des Heimteams. Sie können eine positive Atmosphäre und Stimmung aufbauen und den Heimvorteil damit verstärken. Die Sportsoziologin Schallhorn sagt: „Wenn Unterstützung da ist, dann ist man anders motiviert. Wenn man weiß, da sind die Freunde oder die Familie dabei, dann ist das persönlich ein anderer Ansporn.“
Somit ist klar festzustellen: „Eine sehr unterstützende Fangemeinde kann den Vorteil bringen, dass die Spieler motiviert auf den Platz gehen und wissen, dass die Fans hinter ihnen stehen, auch wenn es einmal nicht so gut läuft. Diese mentale Komponente macht dann viel aus – man spricht nicht umsonst vom zwölften Mann“, sagt Christiana Schallhorn.
Und das gelte im Profibereich genauso wie im Amateursport. Wenn man für sich ein positives, bestärkendes Umfeld kreiere, könne das ein großer Trumpf sein. „Auch kennt man im Amateurfußball die Zuschauer meist persönlich. Das ist dann im Gegensatz zum Profifußball eine noch erheblichere Motivationsquelle für die meisten Spieler“, sagt Sportpsychologe Kuhlmann. Jedoch könne die fehlende Unterstützung der Fangemeinde das genaue Gegenteil auslösen.
Eigenes Publikum kann auch einschüchternd wirken
Dabei kann es einschüchternd für die Spieler wirken, wenn sie wissen, dass von außen keine Unterstützung komme, sondern nur negatives Feedback. Deshalb sei es wichtig, darauf zu achten, dass die Mannschaft – und der Verein generell – eine harmonierende Beziehung zu den Zuschauern hat. Man ist eher erfolgreich, indem man sich gegenseitig unterstützt.
Ein weiterer, wichtiger Bestandteil des Heimvorteils ist das Thema Salienz. Das sind Auffälligkeiten oder konkrete Dinge,
die man bewusst kontrollieren kann rund um ein Heimspiel. „Sprich, was kann ich in meiner Heimkabine machen, um stärkend zu wirken?
Das heißt, man kann kontrollieren, wie der Gegner etwas wahrnimmt. Was nimmt er wahr, wenn er im Stadion ankommt? Was kann ich der gegnerischen Mannschaft für eine Atmosphäre liefern, wie wir hier Fußball leben? Wie wirke ich nach außen auf den Gegner?“, erläutert Constantin Kuhlmann die Grundfragen rund um den Begriff Salienz.
Letztlich gehe es darum, sich zu fragen: „Welche Faktoren kann ich kontrollieren? Was kann ich für mich erzeugen? Was kann ich als Verantwortlicher, Trainer, Spieler dafür tun, dass wir uns als Mannschaft zu Hause wohlfühlen und immer wieder einen Siegeswillen hervorrufen können?“, erklärt der Sportpsychologe. Die Möglichkeiten haben die Vereine sowohl im Profi- als auch im Amateurfußball. Viele Mannschaften kennen diese kleinen Kniffe oder benutzen sie sogar schon. Sei es, motivierende Bilder oder Sprüche in der eigenen Kabine aufzuhängen, mit Einlaufmusik zu arbeiten, in der gegnerischen Kabine Ehrfurcht zu verbreiten oder mit LEDs zu hantieren. „Alles in allem kreiert das einen kleinen Unterschied. Und genau diese Routinen und die Umgebung kann man als Heimmannschaft kontrollieren“, sagt Kuhlmann.
Routinen auch bei Misserfolg nicht sofort verändern
Auch auswärts können solche Prinzipien und Routinen genutzt werden. „Am Ende muss man bei den Routinen auch immer aufpassen, dass man diese nicht zu häufig verändert. Auch, wenn es eine Phase gibt, in der es einfach mal nicht passt“, hebt Sportpsychologe Kuhlmann hervor.
Heimspiel-Faktoren spielen besonders eine Rolle, wenn zwei Mannschaften auf ähnlichem Leistungsniveau gegeneinander spielen. Das Schöne im Sport sind schließlich auch die Siege der vermeintlich Unterlegenen: „In der Sportsoziologie spricht man gerne auch von der David-gegen-Goliath-Konstellation. Es gibt immer Überraschungen. Natürlich ist Leistung das entscheidende Kriterium. Doch es gibt trotzdem Situationen, in denen solche Randfaktoren bei einem Heimspiel Kräfte mobilisieren können“, erläutert Sportsoziologin Schallhorn.
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