Teamwork als erste Pflicht

Seit 2021 betreiben Hanka Muehe und Sohn Arne Kaiser nebenberuflich den Hochseilgarten in Idstein
Wiesbadener Kurier vom 05.09.2023

Hanka Muehe mit ihrem Sohn Arne vor einem Klettergerät im Hochseilgarten Idstein. – Foto: Volker Stavenow

Von Volker Stavenow
IDSTEIN. Er liegt versteckt im südlichen Teil Idsteins und ist eine für viele Bewohner der Hexenturmstadt eine unbekannte Attraktion: Auf der ehemaligen Hallenschwimmbad-Liegewiese hinter dem heutigen Sportzentrum des TV 1844 Idstein am Himmelsbornweg befindet sich der Seminar-Hochseil-garten Idstein. „Mein Mann Michael Kaiser hat diesen Hochseilgarten bauen lassen. Nach seinem Tod haben wir uns als Familie entschieden, das Projekt im Interesse der Stadt und Schulgemeinden, die mit uns Kooperationsverträge haben, weiterzuführen. Wir machen das im Sinne, wie mein Mann sich das überlegt hat“, schildert Hanka Muehe, hauptberuflich Lehrerin. Michael Kaiser war hauptberuflich Leiter der Idsteiner Montessori-Schule.

„Mein Vater hat den Hochseilgarten 2008 errichten lassen“, weiß der Sohn Arne Kaiser. Nach dem Tod seines Vaters übernahm der Schüler des Idsteiner Pestalozzi-Gymna-siums die Pflege der großen Anlage – Mähen, Bäumeschneiden, Instandhaltung der Container, Unterstände – und hilft auch bei den Gruppenbetreuungen mit. „Ich bin 2004 geboren und mit dem Hochseilgarten aufgewachsen. Das war immer mein persönlicher Spielplatz, mit dem ich viele schöne Erinnerungen verbinde. Deshalb ist es auch essenziell, dass es mit dem Hochseilgarten weitergeht.“ Alle wichtigen Dinge für den Betrieb lernte er von seinem Vater. Mutter und Sohn betreiben den Hochseilgarten nebenberuflich, ja ehrenamtlich. Bezahlt werden die von ihnen beauftragten professionellen Trainer.

„Unser Hochseilgarten ist etwas ganz anderes, als zum Beispiel der Klettergarten auf dem Wiesbadener Neroberg. Es geht bei uns nicht um die Kletterei an sich, sondern um Teameventübungen. Die finden im Bodenbereich und in der Höhe statt. Die Gruppen müssen gemeinsam komplexe Aufgaben lösen”, erklärt Hanka Muehe. “Alle müssen eine Vertrauensbasis aufbauen und sich aufeinander verlassen können. Das ist gerade nach der Corona-Zeit sehr wichtig.” Denn Hanka Muehe bemerkt bei teilnehmenden Kindern und Jugendlichen Berührungsängste. “Wir sind stark vernetzt mit der Idsteiner Schulsozialarbeit. Wir sind ein gutes Ergänzungsprojekt zu den Schulprojekten.” Hauptklientel seien die Schulen. Mutter und Sohn handeln die Gruppenarbeit nicht alleine, sondern werden von erfahrenen, ausgebildeten Trainern unterstützt.

Geübt wird erst mal am Mannschaftsbalken

An insgesamt fünf einzelnen Elementen haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich selbst und ihre Gruppe kennenzulernen. Sämtliche Sicherungsfunktionen laufen redundant, also es gibt doppelte Seilsicherung

Doppelt gut gesichert geht es in der Gruppe Meter um Meter nach oben. – Foto: Hochseilgarten Idstein


für jeden Teilnehmer. Die einzelnen Übungen werden von drei, zwei oder einem Teilnehmer absolviert, alle anderen Teilnehmer stehen zur Sicherung an den Umlaufseilen. Jeder Teilnehmer trägt Komplettklettergurt, Helm und Handschuhe. Im Anschluss wird jede Aktion reflektiert und ausgewertet und die nächste Übung in Angriff genommen. Am Ende wird das gemeinsame Erlebnis vollständig ausgewertet. Bei einer Erwachsenengruppe beträgt die Gruppengröße zwölf bis 16 Personen, bei einer Jugendgruppe oder Schulklasse kommen bis zu 28 Teilnehmer zusammen. Alle Gruppen werden von geschulten Trainern angeleitet und begleitet, keiner ist alleine unterwegs. Über das Jahr gesehen kommt eine Belegungsfrequenz von bis zu 20 bis 30 Trainingstagen zusammen. Dazu gehört auch der Samstag und bis viermal im Jahr offene Angebote oder Werbeveranstaltungen am Sonntag. Ein Seminartag beginnt zwischen acht und neun Uhr und endet am Nachmittag zwischen 16 und 18 Uhr.
„Gruppendynamiken sehe ich sofort. Ich erkenne schnell, welche Stärken Teilnehmer haben, wer nicht so sozial kompetent ist und integriert werden muss“, berichtet Hanka Muehe. Egal, ob es eine Schüler- oder Erwachsenengruppe sei. „Wir waren in den vergangenen zwei Jahren nach Corona gut gebucht.“ Arne Kaiser schildert, wie ein Gruppenbesuch im Hochseilgarten abläuft. „Wir treffen uns im Steinkreis, besprechen wie wir was machen wollen, ziehen die Kletterausrüstung an und es geht zu Übungen im Bodenbereich, zum Beispiel am Mannschaftsbalken.“ Da werde die Grundlage des Vertrauens, die man in der Höhe brauche, geschaffen. Danach gehe es in die Höhe. „Auch da ist Kommunikation gefordert. Nur, wenn das funktioniert, kommt man auch nach oben“, so Arne Kaiser. Man bleibe als Gruppe zusammen und jeder hilft sich immer gegenseitig.
Arne Kaiser schildert eine Vision seines Vaters: „Mein Vater hatte die Idee, in Absprache mit der Stadt und dem TV 1844 Idstein, noch mehr Grundfläche zu pachten. Dort könnten kleine Häuser als Seminar- und Ferienhäuschen gebaut werden. So könnten Gruppen ernsthaftes Teamtraining über mehrere Tage betreiben und hier übernachten. Das wäre ein Traum.“ Aktuell wollen Mutter und Sohn aber den Hochseilgarten weiter stabilisieren und erst einmal so erhalten.

DER IDSTEINER HOCHSEILGARTEN
► Hochseilgärten werden individuell zwischen Masten konstruiert. Die Masten sind 15 Meter lang. Bis zu 3 Meter davon werden im Erdboden versenkt, haben einen Durchmesser von 30 bis 50 Zentimetern und sind entsprechend imprägniert. Die Verbindungen zwischen den Masten erfolgt mit Stahlseilen und entsprechenden Verbindungselementen (Strandvise, Schraubhaken, Schnellkettenglieder) aus dem professionellen Personenkletterschutz. Alle Elemente sind konstruktionstechnisch und statisch aufeinander abgestimmt und nach europäischen Standards und deutschen Industrienormen gebaut. Alle Anlagen sind TÜV-geprüft.
► Kontakt: Hanka Muehe, Telefon: 0172-5186364, E-Mail: info@idworx.de.

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